NÖN: 30. Juni 2015
Unterkünften für etwa 25 Personen
Die Gemeinde will in erster Linie Wohnraum für bereits Asylberechtigte anbieten. „Wir wären offen gewesen, aber von der Caritas wurde uns empfohlen, uns um jene zu kümmern, die bereits Asyl gewährt bekommen haben“, erklärt SP-Bürgermeister Richard Hemmer. Da für die Betroffenen mit dem Asylstatus gleichsam jede Betreuung endet, sei hier besonderer Bedarf gegeben. „Entsprechend werden wir uns um die Betreuung und um Integration bemühen“, so Hemmer. Die Flüchtlinge sollen in Wohnungen untergebracht werden, „sodass es für die Betroffenen verträglich ist und auf die Akzeptanz der Bevölkerung stößt“, so Hemmer.
In Aussicht stehen dafür Räumlichkeiten in der derzeitigen Kirchenbeitragsstelle in der Kochgasse. Diese zieht im Sommer in den vorderen Teil des Pfarrhofs. „Dort können vier Wohnungen eingerichtet werden“, so Hemmer. Darüber hinaus hat man derzeit noch an zwei Standorten insgesamt drei weitere Wohnungen in Aussicht. Alle Wohnungen sollen nun „in Abstimmung mit Caritas und Land so rasch wie möglich adaptiert werden“, so Hemmer.
Man gehe also in einem ersten Schritt von Unterkünften für etwa 25 Personen aus. In einer knapp 9.000 Einwohner zählenden Stadt liegt man damit ohnehin noch weit unter jener akkordierten Zwei-Prozent-Marke, die in Bruck 180 Flüchtlinge bedeuten würde.
Für die konkrete Abwicklung und Betreuung wird eine Arbeitsgruppe eingerichtet, der die Klubsprecher aller Fraktionen, SP-Bürgermeister Richard Hemmer, SP-Sozialstadträtin Sabine Simonich und SP-Vizebürgermeister Gerhard Weil, sowie eine Vertreterin der Pfarre und eine des Roten Kreuzes angehören werden. „Wir haben auch schon mehrere Anfragen von privaten engagierten Personen, die mithelfen möchten“, betont Hemmer, dass jeder mitarbeiten kann: „Wir werden mehrere Untergruppen bilden.“ Letztendlich soll sich aus dem Arbeitskreis ein Verein konstituieren, der sich langfristig um die Betreuung der Betroffenen kümmern soll.
„Ich kann das Versagen von Land und Bund nur unterstreichen. Aber genau von den beiden dann Lösungen zu erwarten, ist grenzwertig.“ Grün-Gemeinderat Roman Kral
Im Gemeinderat fiel der Beschluss dafür allerdings – anders als vorab angenommen – nicht einstimmig. Die ÖVP brachte einen Gegenantrag ein, der zuerst vorsah, keinen Arbeitskreis zu bilden, sondern den Sozialausschuss mit weiteren Detail-Prüfungen zu beauftragen und erst im September wieder den Gemeinderat mit der Thematik zu befassen.
„Das Versagen in der Asylthematik auf Europäischer-, Bundes- und Landesebene ist eine untragbare Situation, jedoch kann die Stadtgemeinde sich bei jeglicher Hilfsbereitschaft nicht selbst dabei überfordern. Eine langfristige humane Unterbringung von Asylwerbern ist nur in Zusammenarbeit mit Land und Bund zu gewährleisten“, begründete VP-Sprecher Alexander Petznek den Gegenantrag und sprach sich gegen eine „Schnellschuss-Aktion“ aus.
Das „Versagen von Land und Bund“ könne auch er nur unterstreichen, meinte Grün-Gemeinderat Roman Kral, aber sich „genau von den beiden dann Lösungen zu erwarten, ist grenzwertig.“
SP-Sozialstadträtin Sabine Simonich betonte: „Im Sozialausschuss sind nicht alle Fraktionen vertreten und auch Hilfsorganisationen könnten dort nicht mitwirken. Ich halte eine Arbeitsgruppe für produktiver und demokratischer.“
Nach einer Sitzungsunterbrechung zeigte sich die ÖVP zwar mit der Arbeitsgruppe einverstanden, beharrte ansonsten aber auf ihrem Gegenantrag. Auch in geheimer Abstimmung, wie sie Grün-Gemeinderat Roman Kral vorschlug, fiel das Ergebnis unverändert aus: Der Grundsatzbeschluss wurde letztendlich mit den Stimmen von SPÖ, den Grünen und FP-Gemeinderat Franz Krupbauer gefasst; ÖVP und FP-Gemeinderat Hannes Hübner stimmten dagegen.
Der ÖVP-Antrag im Detail:
• Mitte Juni gab es ein Treffen aller Bürgermeister des Bezirks mit Bezirkshauptmann Peter Suchanek. Dabei stellte der zuständige Abteilungsleiter aus dem Büro von Landesrat Maurice Androsch (SP) die aktuelle Lage der Flüchtlingssituation vor und beantwortete die Fragen der Ortschefs zum Thema.
• Die Reaktionen der Bürgermeister fielen unterschiedlich aus. Allerdings sei von allen zumindest die Bereitschaft signalisiert worden, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.
• Bei Asylwerbern ist davon auszugehen, dass sie nur so lange in der Unterkunft bleiben, bis eine Entscheidung in ihrem Asylverfahren gefallen ist.
• Jene Flüchtlinge, die bereits einen positiven Asylbescheid haben, brauchen Unterkünfte, in denen sie längerfristig bleiben können. Dort kann innerhalb der Gemeinde dann auch an der Integration gearbeitet werden.
• Derzeit sind im ganzen Bezirk 19 Asylwerber, in erster Linie in privaten Unterkünften, untergebracht. Seit Montag sind es durch die Unterbringung von Flüchtlingen im Hainburger Ulrichsheim um 40 mehr. Als Gemeinde, die sich aktiv um Flüchtlinge kümmern möchte, nimmt Bruck damit eine Vorreiter-Position ein.
• Der Antrag der ÖVP hätte unter anderem gefordert, sich mit Bruckneudorf abzustimmen, einen Betreuungsplan zu erarbeiten, sich auf eine Maximalzahl an Flüchtlingen festzulegen.
• In der Ablehnung von Massenquartieren, wie sie zuletzt für die Kaserne in Bruckneudorf vorgeschlagen worden waren, sind sich hingegen auch in Bruck alle Fraktionen einig.
• Die Gemeinde ruft sowohl jene, die mithelfen wollen, als auch jene, die ein Quartier anbieten möchten, aber auch jene, die Kritik anbringen möchten, auf, sich zu melden: stadt@bruckleitha.a
Reaktionen zum Thema
„Wir sind der Meinung, dass das besser ist, als irgendwelche Zelt- oder Containerlösungen. Wir haben das damals in Hainburg auch gemacht beim Jugoslawien-Konflikt und das hat gut funktioniert.“
Harald Fischer Bezirksstellenleiter Rotes Kreuz
„Es war schon länger beabsichtigt, dass die Kirchenbeitragsstelle in den Pfarrhof übersiedelt. Das haben wir jetzt beschleunigt, um in der Flüchtlingskrise unseren Beitrag leisten zu können. Geplant sind vier Wohneinheiten. Realistisch betrachtet, sind es vor allem junge Männer, die kommen werden, die sich ein Standbein schaffen wollen, oft, um ihre Familie dann nachzuholen. Wir machen da keine Vorgaben, wir wollen helfen, wo Bedarf ist.“
Gernot Ehlers Mesner Pfarre Bruck
„Die Asylwerber haben in großer Zahl keine Papiere dabei. Da kann alles dabei sein, vom Flüchtling bis zum Pülcher. Das ist auch ein Sicherheitsrisiko. Wenn ein Syrer in die Türkei flüchtet, ist er dort sicher. Wenn er dann zu uns kommt, ist er ein Wirtschaftsflüchtling.“
Siegfried Steurer-Thimm, VP-Stadtrat
„Was Sigi sagt, hat seine Berechtigung. Wir als Stadt sollten aber einem gewissen Teil der Flüchtlinge helfen, so wie es eben in unserer Macht steht.“
Franz Krupbauer, FP-Gemeinderat
„Das ist alles zu unterstreichen, es sollte aber strukturiert ablaufen. Wer hastet, der stolpert schnell. Das Thema ist für einen PR-Gag zu heikel.“
gab VP-Sprecher Alex Petznek den Aussagen von Kardinal Christoph Schönborn recht, die Bürgermeister Richard Hemmer aus einem Zeitungsinterview vorlas.
„Das läuft mir alles viel zu chaotisch ab. Unsere Bereitschaft ist da, aber nicht in dem Tempo. Wir wollen uns in Ruhe Objekte anschauen, die zur Verfügung gestellt werden können. Wir hatten den besseren und vernünftigeren Antrag. Dass wir helfen wollen, steht außer Frage, nur so lange wir nicht wissen, wie wir helfen, können wir nicht helfen.“
Alexander Petznek VP-Stadtrat
„Stadtrat Steurer-Thimm hat die Grundstimmung in dem Land auf den Punkt gebracht, in einem Sermon, der nicht leicht auszuhalten ist. Dagegen kann man nur mit Ruhe und Sachlichkeit auftreten. Das ist kein PR-Gag. Das ist überparteilich seit mehr als zwei Monaten gut vorbereitet. Wenn eine Kommune es schafft, Schritt für Schritt im Kleinen zu helfen, dann sage ich: Wer schnell hilft, hilf doppelt.“
Roman Kral Grün-Gemeinderat
„Ich verwehre mich gegen den Ausdruck „Schnellschuss“. Die ÖVP will sich vor der Vorantwortung drücken. Was soll im September anders sein als jetzt? Wir haben das seit Monaten vorbereitet.“
SP-Bürgermeister Richard Hemmer